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Coworking und Startups: Unzertrennlich!

„Es wird intellektuell immer anspruchsvoller ein Unternehmen zu gründen…“, so ein Zitat des Gründungsmitglieds Oliver Kern von der Papa Fuego GmbH, eines Lebensmittel-Startups aus Braunschweig. Tatsächlich sinkt die Gründerquote in Deutschland seit Jahren. Seit Beginn der statistischen Erhebungen des KfW-Gründungsmonitors 2004 wurden noch nie so wenige Unternehmen gegründet wie 20181.

Davon sind besonders Unternehmensgründungen mit geringem Innovationsgrad betroffen, also solche, die auf einem etablierten Geschäftsmodell basieren. Anders verhält es sich mit innovativen, zumeist digitalen Unternehmensgründungen. Hier sind zum Teil zweistellige Wachstumsraten (anteilig an allen Unternehmensgründungen) zu verzeichnen2. Das Zitat unseres Gründers ist nicht nur aus Sicht der Statistik nachvollziehbar: Der gute Arbeitsmarkt bietet viele Chancen, die Opportunitätskosten, ein Unternehmen zu gründen sind hoch. Die Anzahl an Notgründer/innen, also Personen, die mangels anderer Alternativen gründen, sinkt weiter. So bleiben anteilig vor allem wissensbasierte Chancengründer/innen übrig, die das Wagnis insgesamt freiwillig in Kauf nehmen. Sie können sich den steigenden Herausforderungen einer Unternehmensgründung stellen. Die Qualität der Gründungen, wenn man es so bezeichnen will, steigt, was auch nötig zu sein scheint.

Neben einer guten Idee und Motivation brauchen Gründer/innen aber auch gute (räumliche) Rahmenbedingungen. In Deutschland gibt es sogenannte Gründerhotspots, besonders Städte wie Berlin, München oder Hamburg, die relativ hohe Startup-Gründungsquoten vorweisen können3. Dies hat verschiedene Gründe und liegt nicht nur allein an den Städten selbst, da es mittlerweile auch gute Beispiele für „Gründerhotspots“ in kleineren Städten wie Paderborn (z.B. http://garage33.de/) gibt. Über die letzten Jahre haben sich (Mikro-) Infrastrukturen aufgebaut, die Unternehmens- gründer/innen die Hilfe und Unterstützung bieten, die unmittelbarer nicht sein kann und damit das Umsetzen des Gründungsplans in eine echte Gründung ungemein erleichtert: Sogenannte Inkubatoren4 und Acceleratoren5 mit, ganz wichtig, integrierten Coworking Spaces. Warum sind diese kombinierten Strukturen so förderlich für Unternehmensgründungen?

Gründer/innen bzw. besonders Gründerteams brauchen dauerhaft und konstant direkte Hilfe durch Mentor/innen, andere Startups und Freiberufler/innen. Diese direkte Hilfe muss räumlich unmittelbar verfügbar sein. Diese direkte gegenseitige Unterstützung hat nicht nur fachliche Vorteile. Genau in den Phasen der Unternehmensentwicklung, wo die Abbruchraten mangels sichtbarer Erfolge trotz ausgeprägten Anstrengungen besonders hoch sind, braucht es auch emotionale Hilfe: Erfolgreiche Gründer/innen umgeben sich mit erfolgreichen Gründer/innen. Der positive „Abfärbeeffekt“6 ist mehrfach wissenschaftlich beschrieben und untersucht worden. Und hier kommen Coworking Spaces ins Spiel: Mit ihrer offenen, gemeinschaftlichen und oft auch kreativ-inspirierenden Gestaltung bieten sie hierfür beste Bedingungen. Der positive „Abfärbeeffekt“ ist aber nicht nur für Unternehmensgründungen interessant. Er wirkt sich positiv auf alle Unternehmen aus. Dies haben auch viele Großunternehmen erkannt, die zunehmend ihren Mitarbeiter/innen den Zugang zu Coworking Spaces als Alternative zum eigenen Büro gewähren (oder selbst ihre Büros entsprechend zu einem Coworking Space umgestalten). Angenehmer Nebeneffekt: Neben einer potenziellen Steigerung der Arbeitszufriedenheit und Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber sinken die Kosten für die eigene Infrastruktur. Das macht sich dann in mehrfacher Hinsicht bezahlt. Besonders eindrucksvolle Beispiele für diese räumlichen Kombinationen sind auch bei unseren europäischen Nachbarn zu finden.

1. Station: Paris: Station F

Im Oktober 2018 besuchte ich die Station F, den nach eigenen Angaben größten Entrepreneurship-Campus der Welt in Paris. Auf ca. 34.000 m2 arbeiten ca. 1.000 Startups oder 3.000 „Residents“ – jede/r für sich, aber doch insgesamt zusammen. Die Namen der ansässigen Inkubatoren4 und Acceleratoren5 liest sich wie das Who is Who der globalen Konzerne: Facebook, Google, L´Oreal usw. Coworking für die Öffentlichkeit gibt es in dem Sinne nicht. Wer in diesem beeindruckenden Ort der Startup-Szene mitmischen will muss sich bewerben. Am Ende bleiben 1.000 erfolgreiche von ca. 11.000 Bewerbungen pro Jahr übrig. Die Station F lässt sich schlicht mit einem Wort beschreiben: Gigantisch! Wenn man die Station F besuchen möchte, muss man sich für eine Tour anmelden. Die Station F ist in viele Bereiche unterteilt: Maker Spaces, Präsentations-Bühnen, Offices, Konferenzräume, Kreativräume… Alles ist vorhanden und das in einem riesigen Ausmaß. Die räumliche Ausstattung erfolgte also nach dem gleichen Prinzip wie ein Coworking Space, nur eben viel größer. Das lang unterschätzte Paris holt sichtbar auf.

2. Station: Amsterdam, der vielleicht noch unterschätzte Tech-Startup-Gigant

Aber auch in anderen Ländern rund um die Welt tut sich etwas: Im November 2018 fand in Amsterdam die europäische Coworking-Conference statt. Mehr als 550 Teilnehmer/innen aus aller Welt trafen sich, um über die neuesten Entwicklungen in der Coworking-Welt zu diskutieren. Veranstaltungsort war das Startup-Haus B. Amsterdam. Ein ehemaliger Gebäudekomplex von IBM, 4 Stockwerke, 25.000 m2 Büroflächen – nicht wirklich „citynah“. Eine Chance für Coworking auf dem Land? Was mir auch hier auch hier besonders auffiel: Die globale Dimension des Coworking wird immer größer und wird zunehmend selber zu einem innovativen und lukrativen Geschäftszweig. Alleine wework, der größte Coworking-Anbieter der Welt (wenn man so frei ist und wework und andere große Anbieter zum Coworking hinzuzählen möchte, was wir hier einmal tun wollen) hat bereits nach eigenen Angaben 554 Standorte in 97 Städten weltweit10, ein gigantisches globales Netzwerk (Weitere Beispiele für mittlerweile große Coworking-Ketten: Tribes, Spaces, Rent24 usw.). Was lernen wir daraus? Coworking is not a trend, it´s a shift!

3. Station: London als europäisches Startup-Mekka

Zu guter Letzt kam im Dezember ein Trip nach London zur Europatour hinzu. Auf der Tagesordnung stand ein Besuch bei dem Accelerator Wayra des Konzerns Telefónica. Rund 40 Startups befanden sich zu der Zeit des Besuchs im Gebäude in der Air Street. Die Räume waren wie Coworking Räume organisiert, was zu erwarten war. Danach ging es ins Design-Museum, wo es noch einmal schöne Beispiele dafür gab, wie wichtig es ist, ein Produkt von (allen) Seiten – des Konsumenten, des Designers und des Herstellers – zu betrachten. London bietet Startups beste Bedingungen, auch um zu starten: 20 Pfund und eine Online-Registrierung braucht man um ein Unternehmen an einem Tag zu gründen. Die Konkurrenz ist groß und hart, die Mieten sind teuer, aber es gibt auch viel Angebot für Startups. Allein der größte Coworking Space Anbieter der Welt wework, wir erwähnten ihn schon, unterhält nur in London 42 Standorte. Zweifelt noch jemand an der zunehmenden Bedeutung von Coworking?

Alles in Allem kann man festhalten: Gründer/innen brauchen Unterstützung, gerade weil Gründen immer intellektuell anspruchsvoller und komplexer wird, und dies ist am besten im Umfeld eines Coworking Spaces wie OFFICE & FRIENDS, neu entstehenden Spaces wie in der kleinen Stadt Seesen usw. zu erreichen. Daher ist dieser Mikrokosmos, egal ob in der Stadt oder auf dem Land, ein Beschleuniger von guten Ideen, Geschäftsmodellen und Unternehmensgründungen.

1 KfW-Gründungsmonitor 2018, S. 1
2 KfW-Gründungsmonitor 2018, S. 3
3 KfW-Gründungsmonitor 2018, S. 5
4 Inkubatoren sind „Brutstätten“ für Unternehmensgründungen (freie Definition)
5 Acceleratoren („Beschleuniger“) sind „fortgeschrittene“ Inkubatoren: Sie kümmern sich um Gründungen, die schon weiter in der Entwicklung sind und fördern ihr Wachstum.
6 Fritsch, Entrepreneurship, S.188

Foto: NewAfrika

Tim-Nielaender

ZUR PERSON:

Tim Nieländer, MBA. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des gemeinsamen Lehrstuhls für Entrepreneurship (Entrepreneurship-Hub) an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften und der Technischen Universität Braunschweig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Regional Entrepreneurship und Coworking. Von Oktober bis Dezember 2018 besuchte er die Startup-Ökosysteme Paris, Amsterdam und London. E-Mail: ti.nielaender@ostfalia.de.


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Coworking in Kleinstädten und ländlichen Regionen bieten ein großes, ungenutztes Potential

In Großstädten ist das geteilte Arbeitsplatzmodell bereits Gang und Gebe, in Kleinstädten und ländlichen Regionen sind die flexiblen Büros zur Zeit noch spärlich vertreten. Dass die flexiblen Büros aber gerade auf dem Land ein großes Potential bieten, hat die Plattform Social Workplaces herausgefunden.

Heutzutage ziehen immer mehr junge Menschen das ruhige Leben in der Kleinstadt oder auf dem Land dem Großstadtlärm vor. Aber wo kann man in ländlichen Regionen „modernen“ Jobs nachgehen? Coworking Spaces bieten sich nicht nur für Startup´s und Freelancer an, sondern auch als Satellitenbüros für Arbeitnehmer. So wurde auf der letzten Coworking Conference Europe bestätigt, dass Spaces in Kleinstädten und ländlichen Gebieten wachsen. Rund 35% der befragten flexiblen Büros sind im vergangenen Jahr entstanden. Das ist nur ein Ergebnis der Umfrage von Social Workplaces aus diesem Jahr, die die wachsende Szene als Anlass zur Untersuchung genommen hat. Befragt wurden Coworking Spaces weltweit, vor allem aber in Frankreich, Deutschland, Österreich und Spanien.

Noch ist das moderne Arbeitsplatzkonzept zu unbekannt

Die meisten Coworking Spaces in ländlichen Regionen sind in Kleinstädten mit weniger als 150.000 Einwohnern zu finden. Nur knapp 5% der Büros befinden sich auf dem Land. Dabei sind die meisten Gebäude relativ klein, viele sind zwischen 100 und 200 qm groß. Im Vergleich: Das berühmte betahaus in Berlin ist rund 2.800 qm groß. Trotzdem ist das innovative Bürokonzept für die Areas wichtig, knapp ein Drittel der Befragten ist sich sicher: Coworking digitalisiert die Umgebung nicht nur, sondern macht sie auch jünger.

Noch hält sich der Boom des „geteilten Arbeitsplatzes“ in ländlichen Regionen in Grenzen. Fast die Hälfte der Befragten klagt über die fehlende Bekanntheit des Modells. So ist die größte Herausforderung das mangelnde Bewusstsein über die Existenz der flexiblen Büros. Und mal Hand aufs Herz: Wie lange weißt du schon von der modernen Arbeitsplatzlösung?

Coworking Spaces ermöglichen wertvolle Geschäftsbeziehungen

Die Community besteht größtenteils aus Freelancern. Die schätzen neben ihrer Gemeinschaft vor allem die Arbeitsatmosphäre. Knapp 38% geben an, die größte Motivation für die Nutzung der Coworking Spaces sei die Geschäftsatmosphäre, wo man mit Gleichgesinnten diskutieren kann und wo sich vielleicht auch neue Business-Möglichkeiten ergeben. Und tatsächlich, über die Hälfte der Mitglieder knüpfen wertvolle Geschäftskontakte an ihrem modernen Arbeitsplatz.

Wir können also festhalten, dass Coworking in Kleinstädten und ländlichen Regionen zwar noch nicht mit den Großstädten mithalten kann, aber auf jeden Fall ganz stark im Kommen ist. Es bietet Mehrwert für Nutzer und Region. Solange das Bewusstsein in der Bevölkerung nicht stärker vorhanden ist, reden wir noch von einem großen ungenutzten Potential – das wird sich aber in naher Zukunft hoffentlich ändern!

Foto: Geran De Klerk | Retusche: Frank Höhne


Gesundheit-in-der-Digitalisierung

Wir können den Umgang mit der Digitalisierung gesund gestalten!

Gesund leben in der digitalen Arbeitswelt – Prof. Dr. Filip Mess macht auf die gesundheitlichen Beanspruchungen durch die Digitalisierung aufmerksam und hat wertvolle Tipps zur Mitarbeitergesundheit parat.

Warum spielt der Gesundheitsaspekt eine so große Rolle in Unternehmen?

Unsere Arbeitswelt ändert sich derzeit rasant. Ohne eine gesunde Belegschaft können Unternehmen aktuellen und zukünftigen Herausforderungen nur schwer begegnen. Ein Beispiel ist die digitalisierte Arbeitswelt. Ziel von Unternehmen muss daher sein, die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten, zu fördern und gegebenenfalls wiederherzustellen. Ansonsten besteht die Gefahr, den Wandel zu verschlafen und am Mark nicht mehr bestehen zu können.

Welche gesundheitlichen Risiken bestehen in der digitalisierten Arbeitswelt?

Drei Tendenzen kennzeichnen die Digitalisierung: Information, Interaktion und künstliche Intelligenz. Aus diesen Tendenzen resultieren Veränderungen und Gesundheitsrisiken. Ein Beispiel ist die ständige Erreichbarkeit durch Medien. Arbeit und Privatleben verschwimmen miteinander. Die Folgen reichen von Erschöpfung bis hin zu Burn-Outs. Ein anderes Beispiel sind die stets neuen Technologien, mit denen wir uns im Beruf auseinandersetzen müssen. Das erfordert ein lebenslanges Lernen. Wer da nicht mithalten kann, wird abgehängt. Die Informationsflut steigt, sodass wir immer weniger Zeit für Projekte und Tätigkeiten haben. Der Stress nimmt zu, die Unzufriedenheit steigt. Die Unzufriedenheit steigt auch durch die immer geringere Selbstbestimmung. Maschinen und Stakeholder „treiben“ uns zunehmend. Auf der anderen Seite wächst aber auch die Erwartungshaltung der Stakeholder. Diese Faktoren führen zu Unzufriedenheit und Stress, was letztendlich an unserer Psyche nagt.

Wie kann ein Unternehmen die Gesundheit seiner Mitarbeiter unter diesen Bedingungen trotzdem fördern?

Unternehmen sollten zunächst durch eine klassische Gesundheitsbefragung herausfinden, wo gesundheitliche Potenziale und Risiken liegen. Wichtig ist auch, herauszufinden auf welche Maßnahmen die Mitarbeiter überhaupt Lust haben, denn generell sollte Gesundheit positiv sein. Gesundheit kann beispielsweise durch die Verknüpfung mit spielerischen Elementen positiv sein, Stichwort Gamification. In der Verantwortung liegen die Führungskräfte. Unternehmen müssen ihre Führungskräfte für ihre Rolle als gesundheitsbewusste Führungskraft sensibilisieren und angehende Führungskräfte auf diese Rolle vorbereiten.

Und was kann der einzelne Mitarbeiter tun, um in einer digitalisierten Welt gesund und fit zu bleiben?

Wir können die Digitalisierung nicht aufhalten. Aber wir können den Umgang mit der Digitalisierung gesund gestalten. Mitarbeiter sollten auch mal offline sein, also bewusst Erholungszeiten einplanen. Mitarbeiter sollten die Digitalisierung als Chance nehmen, gleichzeitig aber auch kritisch beachten und nicht jeder Neuentwicklung blind und unreflektiert hinterherlaufen. Dafür müssen sie die neuen Formen des Arbeitens und des Führens ausprobieren und in die tägliche Arbeit integrieren.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Welche Themen werden im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung die Arbeitswelt in zehn Jahren beschäftigen?

In zehn Jahren wird das lebenslange Lernen einen Kulturwandel hervorgerufen haben. Es wird dann nicht mehr nur darum gehen, ob wir lebenslanges Lernen in Schulen und Hochschulen verankern, sondern wie. Wir müssen Vertrauen in die künstliche Intelligenz und in Big Data aufbauen – Wir können im Zuge der künstlichen Intelligenz gemeinsam mit Maschinen lernen und Entscheidungen fällen. Durch Big Data erhalten wir große Datenmengen, diesen und den daraus erzielten Resultaten müssen wir vertrauen. Generell werden wir uns bei den Veränderungen in den Bereichen Technologie und Digitalisierung die Frage stellen, was unsere Gesellschaft noch zusammenhält und wie sie sich immer wieder neu konstituiert.

Foto: .shock

Filip-Mess

INFO

Als wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) beschäftigt sich Prof. Dr. Filip Mess unter anderem mit digitaler Gesundheitsförderung. In der Studie #whatsnext – Gesund arbeiten in einer digitalen Arbeitswelt haben im Februar und März 2017 über 800 Personaler, Führungskräfte und Verantwortliche für Gesundheit teilgenommen. Kernergebnis der Studie war, dass Führungskräfte die wichtigste Stellschraube für gesunde Arbeit 4.0 sind.